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‘Élisabeth Jacquet de La Guerre: chamber music from the Brossard Collection’ reviewed in Toccata
Johan van Veen reviewed our CD ‘Élisabeth Jacquet de La Guerre: chamber music from the Brossard Collection’ for Toccata
Das wachsende Interesse am italienischen Stil hatte seinen Ursprung im späten 17. Jahrhundert. François Couperin und Élisabeth Jacquet de La Guerre waren die ersten, die sich mit dem Genre der Triosonate, die in Italien entstanden war, auseinandersetzen. Letzgenannte ist vor allem wegen ihrer Cembalomusik bekannt, hat aber Kammermusik komponiert. Im Jahre 1707 veröffentlichte sie eine Sammlung mit Sonaten für Violine und Basso continuo. The Bach Players haben sechs weitere Stücke eingespielt: zwei Sonaten für Violine und B.c. und vier Triosonaten. Sie sind zu uns gekommen in Kopien von Sébastien de Brossard, Zeitgenosse von Jacquet de La Guerre, selber Komponist, aber auch Liebhaber der italienischen Musik und Musiksammler. Viele Musikwerke sind nur dank seiner Sammelwut zu uns gekommen, wie auch diese Sonaten. Der Einfluss Corellis ist unverkennbar, aber diese Sonaten haben doch einen eigenen Charakter. Das trifft beispielsweise auf die Zahl der Sätze und die Abfolge der Tempi in den Solosonaten zu. Die Triosonaten tragen die Spuren des ‘stylus phantasticus’: sie bestehen aus verschiedenen Abschnitten, die fast ohne Unterbrechung in einander übergehen.
Zwei Aspekte sind bemerkenswert. In einer der Solosonaten gibt es eine Passage mit Doppelgriffen. Das ist höchst bemerkenswert, da in der Zeit, als diese Sonaten entstanden, die Geige in Frankreich als Soloinstrument wenig ernst genommen wurde und die Spieltechnik sich noch kaum entwickelt hatte. Zweitens spielt der Streichbass mehr als nur den Basso continuo: dann und wann tritt er solistisch hervor, und deswegen kann auf seine Beteiligung nicht verzichtet werden. Es ist bemerkenswert, dass in einer der Sonaten als Streichbass das Violoncello genannt wird. Das war ein damals in Frankreich noch kaum bekanntes Instrument, und Jacquet de La Guerre muss einer der ersten Komponisten – vielleicht sogar der erste – in Frankreich gewesen sein, der dieses Instrument in Betracht gezogen hat. In dieser Aufnahme wird übrigens eine Gambe eingesetzt.
Man wird verstehen, dass diese CD aus historischer Sicht von grosser Bedeutung ist. Jacquet de La Guerre war eine bemerkenswerte Persönlichkeit, und das wird von diesen Sonaten noch einmal unterstrichen. Die Interpretationen der Bach Players sind wohl kaum zu übertreffen. Artikulation und Phrasierung, sowie rhythmische Präzision und dynamische Differenzierung sind die Merkmale dieser Darbietungen. Diese CD verdient höchste Beachtung.
Toccata [Regensburg], no. 100, 2019, pp. 22–3