Die Kirche im Dorf

This review of our St John Passion in Berlin was published in the Die Welt, 5 July 1999.

Nicht alles besser, aber vieles anders machen: so, in Umkehrung des bekannten Schlagworts, ist das Bestreben heutiger ‘historischer’ Aufführungspraxis. Kleine Besetzungen eröffnen bei Bachs Passionen neue Aspekte. Es ist, als sei eine Kathedrale auf eine Dorfkirche reduziert. Aber gerade deren schlichter Ernst kann Große haben.

Bei der Johannes-Passion erscheint die Beschränkung auf wenige Mitwirkende als besonders heikel. Von der lapidaren Eingangs-Anrufung des ‘Herr!’ bis zum lyrischen Ausklang durchwaltet das Werk, der biblischen Textvorlage entsprechend, ein Geist der Erhabenheit, der nicht pietistisch vergemütlicht werden darf. Durchaus bemerkenswert, wie The Bach Players hier die Balance gelingt. Im Kammermusiksaal kommt einem beinahe jeder von ihnen persönlich nahe. Aber sie wahren stilsicher Distanz. Sie beeindrucken durch expressiven Vortrag, doch wollen sie niemanden machtvoll überwältigen. Dafür dankte das Auditorium den Londoner Gästen bei ihrem Berliner Debüt anläßlich der Eröffnung der Bach-Tage stürmisch.

Im Orchester ein Dutzend Spieler mit alten Instrumenten. Ein behutsames Orgelpositiv. Und ganze zehn Sängerinnen und Sänger: ein Chor, der keineswegs immer ‘schon’ zusammenklingt, dessen Mitglieder aber im Wechsel auch sämtliche großen und kleinen Soloaufgaben bravour’s wahrnehmen. Großartig weich und intensiv der Evangelist Mark Padmore. Am Cembalo dirigiert der junge Gary Cooper (sehr unähnlich seinem Namensvetter). Insgesamt 25 Mitwirkende, mehr nicht. In strengem Rahmen entfalten sie die Vielgestaltigkeit und Vielfarbigkeit Bachscher Musik ganz ungezwungen.

v.l.

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